All dies, so scheint es, damit Pflüger mit seinem
Verein "Informationsstelle Militarisierung" bekannter wird. "Ich bin der
Staatsanwaltschaft dankbar für ihre Ermittlungen", äußerte
er im gestrigen Strafprozess vor dem Tübinger Amtsgericht. Ansonsten
eher unübliche Kontrollen führten dazu, dass zahlreiche Zuhörer
"draußen bleiben"" mussten und dem Prozess nicht beiwohnen konnten.
Einige Zaungäste machten es sich gar in den Fensternischen bequem
und kletterten an der Außenfassade empor, um wenigstens durch die
Glasscheibe das Geschehen verfolgen zu können.
"Mit unseren Aktionen konnten wir Aufmerksamkeit auch in den überregionalen
Medien erwirken", gab Pflüger offenherzig zu. Viermal, so warf ihm
die Staatsanwalt vor, habe er bei Blockaden, Kundgebungen und Demonstration
im süddeutschen Raum Soldaten zur Fahnenflucht aufgerufen. Dass man
dies allerdings auf dem Hintergrund des Kriegsgeschehens sehen müsse,
machte der Angeklagte glaubhaft deutlich. Der Aufruf zu Desertion bildet
somit das Ende einer Kette zahlreicher Aktionen der Kriegsgegner-Gruppe
um Pflüger.
Dieser bezeichnete die Flugblattaktionen und Sitzblockaden - unter anderem
vor einer Kaserne in Calw - als "politisches Mittel", um seiner Forderung
nach Frieden medienwirksamen Ausdruck zu verleihen. "Heute würde ich
natürlich nicht mehr zu solchen Aktionen aufrufen", so der 35-jährige
Politikwissenschaftler, der derzeit mit seiner Promotion beschäftigt
ist. Richter Eberhard Hirn gab ihm Gelegenheit, seine Beweggründe
zu Aktionen in Calw, Tübingen, München und Frankfurt darzulegen
und auch mit einer kurzen Analyse das Kriegsgeschehen im Kosovo zu bilanzieren.
So führte er etwa aus, dass auch die Nato jugoslawische Bodentruppen
"zur Fahnenflucht" aufgerufen habe, hier wurden vor einem geplanten Bodenkrieg
Flugblätter in kyrillischer Schrift über dem Kosovo abgeworfen.
Das Gericht entschied nach längerer Beratung auf Freispruch.
23:45 Uhr, 28.06.2000
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