Mannheimer Morgen Bergstrasse
/ 26.04.2000
Nachholbedarf in Friedenspolitik
Bei den Hirschberger
Grünen Kritik an der Bundesregierung
Hirschberg. Die Forderung
war unmissverständlich: "Auf alle Kriegswaffenexporte muss grundsätzlich
verzichtet werden." So lautete die Kernaussage von Tobias Pflüger,
der im Anbau der Großsachsener Turnhalle einen Vortrag zum Thema
"Kriegswaffenexport - Auswirkungen und Folgen" hielt. Der Informationsabend
mit dem Politologen und geschäftsführenden Vorstandsmitglied
der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen war zugleich Auftakt
einer Veranstaltungsreihe, die vom Arbeitskreis Frieden des Kreisverbandes
Neckar-Bergstraße von Bündnis 90/Die Grünen ins Leben gerufen
wurde.
Der Arbeitskreis, im
Juni 1999 unter dem Eindruck des Kosovo-Krieges gegründet, möchte
mit mehreren Diskussionsveranstaltungen dafür sorgen, dass die Grundgedanken
von Pazifismus und Kriegsvermeidung nicht zuletzt bei der eigenen Partei
wieder verstärkt auf die politische Tagesordnung kommen. "Auch die
Grünen haben Nachholbedarf zum Thema Friedenspolitik", sagte Wolf
Lederer, Arbeitskreis-Mitglied aus Hirschberg. Das unterstrich Tobias Pflüger.
So berge die Lieferung eines Probeexemplars des Leopard-2-Panzers an die
Türkei und die Option für den Export weiterer 1000 Panzer sowie
das Vorhaben, Fuchs-Spürpanzer in die Vereinigten arabischen Emirate
zu liefern, reichlich politischen Sprengstoff für die Bundesregierung
und die Grünen.
Zu Beginn seines Referats
erläuterte Pflüger, warum er den Begriff "Kriegswaffen" anstelle
des Terminus "Rüstung" in Zusammenhang mit Export und Industrie verwende.
Zum Einen sei jede andere Bezeichnung verharmlosend, zum Anderen
tauche dieses Wort auch explizit in einem der beiden Gesetze auf,
die die Grundlagen des Waffenexports regeln sollen: das Kriegswaffenkontrollgesetz.
In ihm werde "alles beschrieben, was verboten ist", so Pflüger. Auf
der anderen Seite gäbe es das Außenwirtschaftsgesetz, worin
"alles beschrieben wird, was erlaubt ist." Obwohl beide im Grundgesetz
verankert seien, würden sie sich gegenseitig widersprechen. Zudem
seien die in den Gesetzen beschriebenen Ausführungsbestimmungen mehrmals
modifiziert worden. Neue Richtlinien hätte auch das Bundeskabinett
unter Kanzler Schröder im Januar verabschiedet. "Sie sind zwar eine
Verschärfung gegenüber den zuvor geltenden Richtlinien", räumte
Pflüger ein. Dennoch bestünde auch in dieser Fassung ein zu breiter
Ermessensspielraum für Waffenexporte.
Als weiteres Problem
betrachte er die "Dual-Use-Güter", die sowohl im militärischen
als auch zivilen Bereich eingesetzt werden können. Auch hier gäbe
es keine ausreichenden Exporteinschränkungen. Prinzipiell nicht eingeschränkt
wären Exporte in Nato- und EU-Staaten sowie Nato-gleichgestellte Länder
(Australien, Neuseeland, Schweiz und Japan). "Das ist ein offenes Scheunentor",
sagte Pflüger.
Beim Kriegswaffenexport
müsse zudem zwischen Groß- und Kleinwaffen unterschieden werden.
Letztere würden in keiner Statistik erfasst. Dabei sorge das Vorhandensein
von Waffen erst dafür, dass "Krieg überhaupt geführt werden
kann", brachte es Pflüger auf einen einfachen Nenner: "Wenn keine
Waffen vorhanden sind, kann ein Konflikt nicht militärisch ausgetragen
werden." bk
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