Das gleiche Schauspiel wie vor einem Jahr.
Der Umbau der Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe scheint mit
einem Diskussionsverbot belegt. Stattdessen diesmal eine „Standortdebatte“
(damals ging es um die Zahl der Wehrpflichtigen).
Scharping macht aus der Truppe ein Instrument
der „wirksame(n) Einflussnahme“, bejubelt „die großartigen Leistungen
deutscher Soldaten in internationalen Einsätzen“ und schwadroniert
von der Mitwirkung in „der reformierten NATO und der umstrukturierten Europäischen
Union“. Wer seine Sinne beisammen hat, muss wissen: Es ist von Machtpolitik
die Rede. Von Macht, die gegebenfalls mittels Krieg durchgesetzt wird,
wie uns „die großartigen Leistungen deutscher Soldaten“ auf dem Balkan
jüngst gezeigt haben. Es ist die Rede vom deutschen Einfluss im Kriegsbündnis
NATO und in einer Europäischen Union, die immer offener militärische
Großmachtambitionen entwickelt.
Die „Einsatzkräfte“ der Bundeswehr,
also die Truppen für den nächsten Kriegseinsatz, werden auf 150.000
Soldaten aufgestockt, mithin nahezu verdreifacht. Um deutsche Militärmacht
in aller Welt geballt zum Einsatz bringen zu können, lässt Scharping
eine „Division für Luftbewegliche Operationen (DLO)“ und eine „Division
für Spezielle Operationen (DSO)“ aufbauen.
Die Medien des Landes aber bewegt einzig
die Frage, ob im Norden oder im Süden mehr Kasernen im Zuge der Scharpingschen
Rationalisierungmaßnahmen geschlossen werden. Wo der Kriegsminister
betont, dass bei der Standortfrage „militärischen Erfordernissen Vorrang
vor strukturpolitischen Erwägungen einzuräumen“ sei, da rechnet
die Medien- und Politikermeute nach Parteibüchern, nach Regionen,
nach Brötchenabsatz und Kinobesuchern.
Auf ihrem „Sicherheitspolitischen Kongress
2000“ im vergangenen Herbst gab die Stoiber-Partei die Losung aus: „Die
CSU ist die Partei der Bundeswehr!“ In einer Resolution der Tagung wurde
beschlossen: „Wir kämpfen um die Verankerung der Bundeswehr in der
Bevölkerung, deshalb um jeden der 108 Bundeswehrstandorte in Bayern.“
Beschworen wurde die „Einheit Bundeswehr/Bayern“. Das sind wohlgemerkt
die selben Damen und Herren, die Scharpings Kurs auf eine Interventionsarmee
genauso mittragen, wie die Umschichtung der Bundeswehrfinanzen von den
Personalausgaben hin zu mehr Mitteln für die Beschaffung von Waffen
und Ausrüstung.
Und die ÖTV? Es muss die Gewerkschaften
auf den Plan rufen, wenn nach Scharpings Plänen von 124.000 Zivilbeschäftigten
der Bundeswehr 34-44.000 ihren Job verlieren sollen. Die Aktionen werden
aber nur dann eine richtige Stoßrichtung haben, wenn sie deutlich
machen, in welchem Zusammenhang der Stellenabbau steht: Eine Bundeswehr
für internationale Interventionseinsätze braucht künftig
eben mehr Kampftruppen und weniger Zivilbeschäftigte. Dagegen können
Antimilitaristen und Bundeswehrangehörige durchaus gemeinsame Interessen
(und sei es auch nur zeitweise) entwickeln, wenn es um die Verhinderung
(oder zumindest Behinderung) einer Armee für weltweite Kampfeinsätze
geht.
Scharpings KämpferInnen bleiben zukünftig
an 462 Standorten kaserniert (nur 39 werden geschlossen, zusätzlich
92 Kleinstandorte bis 50 Dienstposten). Für sie gilt: „Flächendeckende
Stationierung ist wesentliche Voraussetzung für die Nachwuchsgewinnung.“
Insofern gilt für uns: Je mehr Kasernen geschlossen werden - desto
besser. Aber: Es müssen die richtigen sein. Fangen wir mit dem Kommando
Spezialkräfte in Calw an und machen dann alle Standorte der „Einsatzkräfte“
dicht. Das wäre eine Standortdebatte, die Sinn macht.