junge Welt
Kommentar 30.01.2001
Rühr meine Kaserne
nicht an?
Gastkommentar zu Standorten
der Bundeswehr
Jetzt geht das große Geschrei los!
Ich will meine Kaserne behalten ... Fast die ganze Republik diskutiert
bei der Vorlage des 65 Seiten starken Ressortkonzeptes für die »Bundeswehr
der Zukunft« am Thema vorbei. Fast alle diskutieren über Standortschließungen.
Aber darum geht es eigentlich nur am Rande. Im Entwurf für ein Ressortkonzept
steht klipp und klar, »wesentliche Leitgedanken dieser Umstrukturierung
sind die Bündelung von Aufgaben, der streitkräftegemeinsame Ansatz
und die Konzentration der Streitkräfte auf den Einsatz«. Und
weiter: »Die Bundeswehr wird kleiner, im Hinblick auf die gewandelten
Anforderungen jedoch moderner und leistungsfähiger.« Nennen
wir die Sache also beim richtigen Namen: Rudolf Scharping forciert die
qualitative Aufrüstung seiner Truppen. Er meint, »das ist kein
Standortschließungs-, das ist ein Standorterhaltungskonzept«.
Die jetzige Aufgabe der Bundeswehr ist
es, zukünftig weitere Kriege führen zu können oder daran
teilzunehmen. Es ist falsch, nur über Standortschließungen zu
diskutieren, ohne zu fragen, warum denn Standorte geschlossen werden sollen.
Die Standorte werden geschlossen, weil sie nicht notwendig sind für
die neue Interventionsbundeswehr. Aber eine Interventionsarmee Bundeswehr
ist grundgesetzwidrig. »Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung
auf«, heißt es im Grundgesetzartikel 87a 1, und Artikel 26,1
verbietet den Angriffskrieg. Das schert Rot-Grün wenig. Die Umwandlung
der Bundeswehr zur Interventionsarmee führt zudem wieder Krieg als
Mittel deutscher Politik ein. Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien von 1999
war ein erster Vorbote zukünftiger und Grundmuster dieser neuen Kriege
auch der Bundeswehr.
Die Herausbildung kleinerer kampforientierter
Einheiten, wie durch die neue NATO-Strategie vorgegeben, wird im vorliegenden
»Entwurf eines Ressortkonzeptes« nun umgesetzt. Es werden mehrere
spezielle Divisionen eingeführt. Dies ist eine Fortführung des
Aufbaus von speziellen Bundeswehr-Kampfeinheiten für Kriegseinsätze.
SPD und Grüne sind Kriegsparteien, die Vorlage des Ressortkonzeptes
beweist dies wieder einmal. Als Kriegsparteien müssen wir sie auch
behandeln. Eine Umkehrung der politischen Verhältnisse innerhalb dieser
Parteien ist Illusion.
In der Friedensbewegung wurde zu Jahresbeginn
eine Kampagne gestartet: »Kriege verhindern - Einsatzkräfte
auflösen«. Dies ist der richtige Ansatz, die Kombination aus
ersten Schritten und grundlegenden Forderungen.
Tobias Pflüger
Der Autor ist im Vorstand der Tübinger
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
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